Strafrecht

21.02.2023: UPDATE zum Moerser Raserfall - BGH hebt Urteil des Landgerichts Kleve erneut auf

Wir berichteten bereits am 01.04.2021. In Moers kam es am Ostermontag 2019 im Rahmen eines illegalen Autorennens zu einem schweren Unfall mit einem unbeteiligten dritten Fahrzeug. Die Fahrerin erlitt schwerste Verletzungen und verstarb.

Den Teilnehmer des illegalen Rennens hatte das Landgericht Kleve wegen des verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dieses Urteil hielt der Revision stand und ist rechtskräftig. Der Fahrer des Unfallfahrzeugs wurde durch das Landgericht Kleve zunächst wegen Mordes mit bedingtem Vorsatz zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Dieses erste Urteil wurde nach Revision des Verurteilten durch den BGH aufgehoben. Das Landgericht Kleve musste erneut entscheiden. Mit dem zweiten Urteil des Landgerichts Kleve wurde der Unfallfahrer dann "nur noch" wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge zu vierjähriger Haft verurteilt. Gegen dieses vergleichsweise mildere Urteil hatten dann Staatsanwaltschaft und Nebenkläger Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof hat nun auch das zweite Urteil des Landgerichts Kleve (teilweise) aufgehoben, nachdem der Fall schon einmal zurückverwiesen wurde.

Der Bundesgerichtshof hielt die neuen Ausführungen des Landgerichts Kleve hinsichtlich des Vorsatzes des Angeklagten für widersprüchlich. Für die Verurteilung einer vorsätzlichen Tat reicht grundsätzlich der bedingte Vorsatz aus. Der Täter muss den Eintritt des Schadens dann zwar nicht zwingend wollen, ihn aber wenigstens für möglich halten und billigend in Kauf nehmen. Dies hatte das Landgericht Kleve hinsichtlich des Mordvorwurfs anders als im ersten Urteil jetzt verneint. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte darauf vertraut habe, dass es anderen Verkehrsteilnehmern zumindest grundsätzlich möglich sei, das riskante Fahrverhalten zu erkennen und daher ein Unfall ausbleiben werde. Das Landgericht Kleve hat aber im Rahmen der Verurteilung wegen Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge zugleich einen bedingten Gefährdungsvorsatz bejaht und zwar weil der Angeklagte - doch - mit eine Kollision gerechnet habe. Der Bundesgerichtshof hält diese Beweiserwägungen für nicht miteinander vereinbar und daher für rechtsfehlerhaft.

Die Angelegenheit wurde aber nicht noch einmal an das Landgericht Kleve zurückverwiesen. Die beiden Schwurgerichtskammern des Landgerichts Kleve hatten sich ja bereits mit dem Fall beschäftigt. Diesmal wird das Landgericht Duisburg zu entscheiden haben.

 

18.02.2022: BGH entscheidet im Deggendorfer-Raser-Fall

Die Richter des Bundesgerichtshofs haben eines der beiden Urteile im Deggendorfer-Raser-Prozess von 2019 zugunsten des Verurteilten abgeändert und teilweise aufgehoben. Der Prozess wird somit in diesem Jahr neu verhandelt.

Im Sommer 2018 ereignete sich im Landkreis Regen ein schwerer Verkehrsunfall, der sich aufgrund eines Straßenrennens zwischen den zwei verurteilten Männern ereignet hatte. Die beiden Männer fuhren damals ein illegales Straßenrennen in einer unübersichtlichen Gegend gegeneinander, bei dem sie mit einem Sportwagen und einem Motorrad in der Nähe von Achslach unterwegs waren. Dabei fuhren die beiden Männer mit überhöhten Geschwindigkeiten dicht hintereinander her, wobei der Fahrer des Sportwagens die Fahrspur nicht mehr halten konnte und es zu einer Kollision mit einem Oldtimer kam. Der Fahrer des Oldtimers verstarb an den Folgen des Unfalls, der Sohn erlitt lebensgefährliche Verletzungen und ist seit dem Unfall zu 100% schwerbehindert.

Im Jahr 2019 wurden die beiden Männer jeweils zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Fahrer des Motorrads wurde wegen der Teilnahme an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und schwerer Gesundheitsschädigung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung sowie wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt. Gegen dieses Urteil richteten die Nebenkläger ihre Revision und forderten unter anderem, dass der Motorradfahrer wegen eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes zur verurteilen ist.

Die Richter in Karlsruhe haben nun das Urteil gegen den Motorradfahrer zu dessen Gunsten abgeändert und teilweise aufgehoben. Der Motorradfahrer habe den Straftatbestand des unerlaubten Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge und schwerer Gesundheitsschädigung nicht verwirklicht, da er die Tat nicht „eigenhändig“ begangen habe. Es lasse sich nicht eindeutig feststellen, ob das Fehlverhalten des Angeklagten auch zu der Kollision beigetragen habe. Zudem verwiesen die Richter darauf, dass der Tatbestand erst 2017 neu in das StGB mitaufgenommen wurde und es erst im November 2021 die entscheidende höchstrichterliche Rechtsprechung dazugegeben habe. Die Richter konnten diese folglich in ihrem Urteil 2019 noch nicht kennen. Der Ausgang des neuen Prozesses bleibt abzuwarten.

 

07.09.2021: Grundsatzurteil des BGH zu "Cum-Ex-Geschäften"

Der Bundesgerichtshof hat jüngst entschieden, dass es sich bei den sogenannten „Cum-Ex-Deals“ um vorsätzliche Steuerhinterziehung handelt und diese Geschäfte strafbar sind. Hierbei handelt es sich um eine Grundsatzentscheidung, die für die Justiz richtungsweisend ist: Derartige Fälle beschäftigen nach wie vor die Justiz mit einem Ausmaß von Schäden in Milliardenhöhe.

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs liegt eine Entscheidung des Landgerichts Bonn aus März 2020 zugrunde, in der zwei Ex-Börsenhändler aus London wegen ihrer Cum-Ex-Aktiengeschäfte zu Haftstrafen auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurden.

Bei den Cum-Ex-Geschäften werden große Pakete von Aktien mit und ohne Dividendenanspruch rund um den Stichtag für die Ausschüttung zügig hin- und hergeschoben. Diese undurchsichtigen Transaktionen haben das Ziel, dass die Finanzbehörden den Überblick verlieren. Dadurch wird Kapitalertragssteuer erstattet, die nie gezahlt wurde.

Das Urteil des Landgerichts Bonn hat der Bundesgerichtshof nunmehr bestätigt. Neben den Haftstrafen wurde bei einem der Angeklagten die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 14 Millionen Euro angeordnet. Zudem war an dem Skandal die Privatbank M.M. Warburg beteiligt, von welcher die Einziehung der Taterträge in Höhe von 176 Millionen Euro angeordnet wurde.

 

13.04.2021: EU – Whistleblower – Richtlinie und das HinweisgeberschutzG

Die Europäische Union ist immer wieder für Veränderungen gut.

Die zum 16.12.2019 beschlossenen EU-Whistleblower-Richtlinie verpflichtet Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie Behörden und Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern künftig dazu, Kanäle einzurichten, über die Verstöße gegen nationales Recht und EU-Recht gemeldet werden können. So sollen die Unterbindung und Aufdeckung von Rechtsverstößen forciert werden. Zudem sollen die Melder entsprechender Verstöße („Whistleblower“) und Dritte, die bei der Meldung von Verstößen unterstützen,  besser geschützt werden.

Gemäß der Richtlinie müssen die zu schaffenden Meldekanäle eine entsprechende Meldung in schriftlicher, mündlicher oder persönlicher Form ermöglichen. Zudem ist jegliche übermittelte Information schriftlich oder durch eine Tonaufzeichnung dauerhaft und jederzeit abrufbar zu dokumentieren. Natürlich muss auch stets die Vertraulichkeit der Identität des Melders sichergestellt werden.

Die EU-Richtlinie ist bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umzusetzen. Sie gibt den Mitgliedsstaaten noch die Möglichkeit, die Schwelle auf 250 Mitarbeiter hochzusetzen. Allerdings hat die Politik bereits einen Entwurf zum sog. Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG-E) vorgelegt, der die Übernahme der Schwelle von 50 Beschäftigten vorsieht.

Auch wenn abzuwarten bleibt, ob noch innerhalb der aktuellen Legislaturperiode der Entwurf verabschiedet wird, sollten Sie Unternehmen, insbesondere Klein- und mittelständische Unternehmen, bereits jetzt an die Umsetzung machen.

Haben Sie Fragen? Sprechen Sie uns an.

 

01.04.2021: Bundesgerichthof entscheidet über illegales Autorennen und hebt Verurteilung wegen Mordes auf

Der Bundesgerichtshof musste jüngst über zwei Revisionen gegen ein Urteil des Landgerichts Kleve entscheiden. Im zugrunde liegenden Fall kam es aufgrund eines illegalen Autorennens zu einem schweren Verkehrsunfall, bei dem eine unbeteiligte Verkehrsteilnehmerin verstorben war.

Am Ostermontag 2019 fuhren die beiden Angeklagten mit hochmotorisierten Fahrzeugen nebeneinander auf einer nahezu gradlinig verlaufenden vorfahrtsberechtigten zweispurigen Straße, wobei einer der Angeklagten die Gegenfahrspur nutzte. Mit einer Geschwindigkeit von 157 km/h kollidierte der Angeklagte mit einem Fahrzeug, welches möglicherweise das Stoppschild nicht hinreichend beachtet hatte. Der Angeklagte der rechten Fahrspur konnte rechtzeitig abbremsen, währende der Angeklagte der linken Fahrspur mit einer gedrosselten Geschwindigkeit von 105 km/h mit dem PKW der anderen Verkehrsteilnehmerin kollidierte. Diese erlitt dabei schwerste Verletzungen und verstarb wenig später im Krankenhaus.

Das Landgericht Kleve hatte den unmittelbar am Unfall beteiligten Angeklagten wegen Mordes verurteilt, den anderen Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge. Beide Angeklagten legten gegen die Verurteilung Revision ein.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden und die vorherige Verurteilung des Teilnehmers am illegalen Autorennen bestätigt. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes hat der Bundesgerichtshof mit der Begründung aufgehoben, das Landgericht habe zu Unrecht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen. Die Sache bedarf nunmehr einer neuen Entscheidung der Vorinstanz.

 

01.04.2021: Bundesgerichtshof entscheidet im Stuttgarter „Raser-Fall“

Im März 2019 kam es in der Stuttgarter Innenstadt zu einem schweren Verkehrsunfall, bei dem der zur Tatzeit 20-jährige Angeklagte einen gemieteten Sportwagen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 163 km/h fuhr und sodann die Kontrolle über den Wagen verlor. Infolge dessen war er gegen einen Kleinwagen geprallt und verursachte dadurch den Tod zweier unbeteiligter Verkehrsteilnehmer.

Der Angeklagte wurde ursprünglich wegen Mordes angeklagt, wurde vom Landgericht Stuttgart dann jedoch wegen Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge sowie einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zudem wurde dem Angeklagten für vier Jahre die Fahrerlaubnis entzogen. Das Landgericht hatte einen Mord abgelehnt, da es keinen (bedingten) Tötungsvorsatz beim Angeklagten feststellen konnte.

Gegen das Urteil legten die Eltern der Opfer als Nebenkläger Revision ein, mit der insbesondere die fehende Feststellung eines Tötungsvorsatzes angegriffen wurde. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart jedoch für rechtsfehlerfrei erachtet und die Revision der Nebenkläger verworfen.

 

11.7.2019: Fahrverbot trotz Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat jüngst entschieden, dass ein Fahrverbot auch dann erlassen werden kann, wenn dadurch für den Betroffenen eine Gefährdung für die wirtschaftliche Existenz besteht. Begeht jemand innerhalb eines halben Jahres drei gewichtige Verkehrsverstöße, von denen mindestens einer bereits mit einem Fahrverbot geahndet wurde, so kann das Fahrverbot trotz Existenzgefährdung erlassen werden. 

Dieser Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, bei dem ein selbstständiger Taxifahrer wiederholt Verkehrsverstöße begangen hat. Der Betroffene machte geltend, dass er durch ein Fahrverbot seiner Tätigkeit nicht mehr nachkommen könne. 

Das OLG hat hier entschieden, dass unter diesen Umständen ein Fahrverbot trotz Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz verhängt werden kann. Als Gründe wurden insbesondere angeführt, dass der Erlass eines Fahrverbots insbesondere einen Denkzettel darstellen soll, sodass Betroffene einen künftigen Verkehrsverstoß vermeiden. Weiterhin soll das Absehen von einem Fahrverbot aufgrund der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz kein „Freifahrtschein“ darstellen. Betroffene sollen diese Möglichkeit nicht ausnutzen, um wiederholt einem Fahrverbot zu entgehen. 

 

17.6.2019: Senat des Bundesgerichtshofs gibt Entscheidung zum Vermögensabschöpfungsrecht an Bundesverfassungsgericht ab

Das Landgericht Oldenburg hatte 2017 zwei Angeklagte aufgrund der Verjährung von Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz freigesprochen. Die beiden Angeklagten hatten im Zeitraum von Februar 2008 bis Juli 2010 insgesamt 933 bulgarische Arbeiter ohne die erforderlichen Genehmigungen beschäftigt. In diesem Zeitraum leisteten die Arbeiter um die 830.000 Arbeitsstunden. 

Aufgrund der Verjährung der Taten wurden die Angeklagten zwar vom Landgericht Oldenburg freigesprochen, allerdings ordnete dieses an, dass die daraus resultierenden Taterträge in Höhe von 10,5 Millionen Euro eingezogen werden sollen. 

Seit 2017 gilt das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Es handelt sich hierbei um das strengste Abschöpfungsrecht im europäischen Raum. Das Abschöpfungsrecht ermöglicht es, dass auch Erträge aus bereits verjährten Straften eingezogen werden können. Diese Vorschrift führte im vorliegenden Fall zu der Frage, ob die Regelung auch für solche Fälle anwendbar ist, in denen vor Inkrafttreten der Neuregelung bereits Verjährung der den Taterträgen zugrunde liegenden Taten eingetreten ist. 

Der 3. Senat des Bundesgerichtshofs sieht darin einen Verstoß gegen die Rechtssicherheit und hält die Regelung für verfassungswidrig. Die Regelung verstoße gegen das grundsätzliche Verbot echt rückwirkender Gesetze. Das Ziel von strafrechtlichen Verjährungsfristen soll es nach seiner Auffassung sein, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit für den Betroffenen Rechtssicherheit herrscht. 

Die Frage liegt nunmehr auf Veranlassung des 3. Senats dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. 

 

17.6.2019: Ausnutzen eines Überraschungsmoments beim sexuellen Übergriff

Der Bundesgerichtshof hat sich jüngst mit der Frage beschäftigt, wann das Ausnutzen eines Überraschungsmoments bei einem sexuellen Übergriff vorliegt. 

Das Ausnutzen eines Überraschungsmoments liegt laut BGH dann vor, wenn der Täter äußere Umstände erkennt, aus denen er schlussfolgern kann, dass das Opfer einen sexuellen Übergriff nicht erwartet. Das Überraschungsmoment muss für das Erreichen der sexuellen Handlung ausschlaggebend sein. Das bedeutet, dass der Täter bei seinem Vorhaben in Betracht zieht, dass das Opfer nicht in die sexuelle Handlung einwilligen wird. Letztlich muss die Überraschung des Opfers den sexuellen Kontakt ermöglichen oder zumindest erleichtern. 

Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren mehrere Taten eines Angeklagten wegen sexueller Übergriffe. Der Angeklagte war Taxifahrer und nutzte seine Arbeit zu sexuellen Übergriffen auf Frauen. Er nutzte dabei seine Position als Taxifahrer aus, um die Frauen im oder vor dem Auto zu überraschen.

Er wurde mehrfach wegen sexueller Übergriffe verurteilt.  

 

12.6.2019: Steuerliche Erklärungspflicht stellt ein strafbegründendes persönliches Merkmal dar

Der Bundesgerichtshof hat jüngst entschieden, dass die steuerliche Aufklärungspflicht bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen ein strafbarkeitsbegründendes Merkmal nach § 28 I StGB darstellt. 

Der Angeklagte A wurde vom Landgericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. A gehörte einer international agierenden Tätergruppe an, die unter Hinterziehung der Biersteuer Bier nach Großbritannien lieferte, um es von dort in den freien Verkehr zu bringen. 

Als Verantwortlicher arbeitete A bei einer Briefkastenfirma und half die Fahrten der Lkws zu koordinieren sowie diese zu be- und entladen. 

Gegen das Urteil legte der Angeklagte A Revision ein. Diese war erfolgreich, sodass der Strafausspruch aufgehoben wurde. Der Bundesgerichtshof vertritt nämlich die Auffassung, dass die steuerliche Ausklärungspflicht ein strafbarkeitsbegründendes persönliches Merkmal darstellt. Liegt keine Aufklärungspflicht bei einem Gehilfen vor, so fehlt es an einem persönlichen Merkmal und die Strafe ist nach §§ 28 I, 49 I StGB zu mildern. Im vorliegenden Fall hat die Strafkammer die Strafe wegen Beihilfe nur gemäß §§ 27 I, 49 I StGB gemildert und eine weitere Milderung wegen §§ 28 I, 49 I StGB nicht berücksichtigt. 

Der Fall wird nun neu entschieden.  

 

9.4.2019: Streit um Polizeikosten bei Risikospielen - Beteiligung der DFL rechtmäßig

Der Streit um die Polizeikosten geht weiter: Das Bundesland Bremen hat gegen die Deutschen Fußball Liga einen Gebührenbescheid für einen Polizeieinsatz bei einem Spiel in Höhe von 425.718,11 Euro erlassen. Die DFL hat dagegen Klage erhoben und in der 1. Instanz Recht bekommen. Daraufhin ging die Stadt Bremen in Revision und hat vom Oberverwaltungsgericht Recht bekommen: Der Kostenbescheid wurde reduziert – aber der Staat bekam Recht, bestimmte Gebühren zu erheben. 

Schließlich wurde die Sache jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt. Die DFL wehrte sich auch hier gegen die Kostenübernahme, da sie nicht zuständig sei für Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und Ordnung. Das Bundesverwaltungsgericht verwies die Sache zurück ans Oberlandesgericht, entschied aber dennoch: Im Grundsatz sei die Beteiligung der DFL an Polizeikosten bei Risikospielen rechtmäßig.

Für die Stadt Bremen ist das Urteil ein großer Erfolg. Es bleibt abzuwarten, wie der Prozess weiter geht und vor allem, ob andere Bundesländer dem Beispiel der Stadt Bremen folgen. 

 

9.4.2019: Zweiter Prozess im Berliner Raser Fall: Verurteilung wegen Mordes

Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt sich die deutsche Justiz mit der Unfallnacht des 01.02.2016 in Berlin. Zwei junge Männer rasten mit bis zu 170 km/h  durch das Stadtzentrum in Berlin. Sie lieferten sich ein illegales Autorennen, wobei die beiden Männer mehrere Kreuzungen passierten und über rote Ampeln fuhren. Schließlich rammte einer der Beiden einen Jeep, der bei Grün die Kreuzung überqueren wollte. In dem Jeep befand sich ein 69-jähriger Arzt im Ruhestand, der mit seinem Wagen 70 Meter über die Straße flog und noch am Unfallort verstarb. 

Bereits 2017 hatten die Berliner Richter die beiden Männer wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil mit der Begründung auf, dass ein Tötungsvorsatz bei den beiden Männern nicht belegt worden sei. 

Jetzt kam es erneut zu einem Prozess vor dem Landgericht Berlin: Die beiden Raser wurden wieder zu lebenslangen Haftstrafen wegen Mordes verurteilt, die Richter bejahten einen bedingten Tötungsvorsatz. Ein vorsätzliches Handeln streiten beide Angeklagten nach wie vor ab, jedoch steht für die Richter fest: Wer mit einer so hohen Geschwindigkeit durch eine Innenstadt fährt kann nicht behaupten, dass nichts Gefährliches passieren könne und er das nicht zumindest in Kauf nähme.

Weiterhin wurde durch ein Gutachten festgestellt, dass einer der beiden Männer bereits 90 Meter vor der roten Ampel vom Gas gegangen ist. Er hätte somit die Wahl gehabt zu bremsen. Stattdessen raste er weiter um das Rennen zu gewinnen. Für die Richter steht fest, dass auch das einen bedingten Tötungsvorsatz darstellt. 

Ob dieser Prozess damit sein Ende gefunden hat, bleibt abzuwarten. Einer der Verteidiger hat bereits Revision eingelegt. 

 

9.4.2019: Sportlehrer müssen Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig durchführen können

Der Bundesgerichtshof hat jüngst entschieden, dass Sportlehrer zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und ordnungsgemäß anwenden können müssen. Begründet wird diese Entscheidung unter anderem damit, dass Sportlehrer schon aufgrund ihres Amtes im Notfall Maßnahmen durchführen können müssen. Damit hebt der BGH ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt auf.

Dieser Entscheidung liegt folgender Fall zugrunde: In Wiesbaden ist vor mehreren Jahren ein angehender Abiturient im Sportunterricht bewusstlos zu Boden gefallen. Die Spotlehrerin und ein weiterer Lehrer führten Erste-Hilfe-Maßnahmen durch, allerdings keine Reanimation. Dadurch blieb der Junge acht Minuten ohne Sauerstoff. Er erlitt schwere Hirnschäden und ist jetzt schwerbehindert. Die Familie des Jungen sah bei den Lehrern eine Amtspflichtverletzung und fordert Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sie behaupteten, dass durch Reanimationsversuche schwere Schäden hätten vermieden werden können. 

Die vorinstanzlichen Gerichte entschieden, dass eine Amtspflichtverletzung der Lehrer nicht festgestellt werden könne. Es könne nicht nachgewiesen werden, ob durch Reanimationsversuche Schäden hätten vermieden werden können. Es wurde von der Familie gefordert, einen Sachverständigen einzuholen. Der Antrag wurde einst abgelehnt, was der BGH jetzt beanstandet hat. 

Die Angelegenheit wurde zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen. Der weitere Prozess wird zeigen, ob der Staat den Schüler entschädigen muss. 

 

19.11.2018: Die Auswirkungen für Polizeibeamte durch Erleben eines Amoklaufs

Im Jahr 2010 ereignete sich ein Amoklauf an einer Berufsbildenden Schule. Ein ehemaliger Schüler litt an dem sogenannten Klinefelter-Syndrom und entwickelte aufgrund dessen eine kombinierte Persönlichkeitsstörung. In Folge seines Amoklaufs tötete er einen seiner Lehrer, schlug einen weiteren zu Boden und bedrohte diverse Beteiligte mit seiner Schreckschusspistole. Daraufhin wurde die Polizei verständigt, die den Schüler kurz darauf stellen konnte. 

In Folge dieses Vorfalls erlitt einer der Polizeibeamten eine Anpassungsstörung als Reaktion auf eine schwere seelische Belastung. Dies führte zu einer Dienstunfähigkeit sowie zu einer medizinischen Behandlung. 

Der BGH hat nun entschieden: Eine solche psychische Gesundheitsverletzung ist dem Amokläufer zuzurechnen, unabhängig davon ob eine solche Gesundheitsverletzung zum berufsspezifischen Risiko eines Polizeibeamten gehört. Durch die Zurechenbarkeit entsteht die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches für den Polizeibeamten gegenüber dem Amokläufer.

 

 

14.11.2018: Diebstahl bei entwendetem Pfandleergut, wenn der Pfand im Pfandsystem zurückgegeben wird

Der Bundesgerichtshof musste sich jüngst mit der Frage der Zueignungsabsicht bei einem Diebstahl von Pfandflaschen beschäftigen, wenn diese über ein Pfandsystem zurückgegeben werden. 

Im vorliegenden Fall ist der Angeklagte in einen Getränkehandel eingebrochen und entwendete dort bereits zusammengepresste Pfandflaschen. Er beabsichtigte, diese wieder auszubeulen und das gesamte Leergut abzugeben, um Pfand dafür zu enthalten. Der Pfandwert der Pfandflaschen betrug 325 Euro. 

Bei einem Diebstahl wird eine fremde Sache entwendet in der Absicht, sie sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Der BGH nahm unproblematisch eine fremde Sache an, da die Pfandflaschen entweder im Eigentum des Herstellers oder aber des letzten Erwerbers stehen. 

Auch den Tatbestand der Rechtswidrigkeit sah der BGH ohne nähere Erörterung erfüllt. Bei der Zueignung komme es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, dass die Sache selbst oder der in ihr verkörperte Wert dem Vermögen des Berechtigten dauerhaft oder vorübergehend entzogen wird. 

Problematisch ist hier, dass der Angeklagte die Pfandflaschen im Pfandsystem zurückgeben wollte, da das Pfandgeld nicht den unmittelbar im Pfandgut verkörperten Wert darstellt. Der BGH kommt zu dem Entschluss, dass es für den Diebstahl im vorliegenden Fall ausreicht, dass der Angeklagte bei der Wegnahme in der Absicht handelte, über das entwendete Leergut selbst wie ein Eigentümer zu verfügen. Damit sei der Tatbestand insgesamt erfüllt.

 

9.5.2018: Diesel-Abgasskandal

Vor über zwei Jahren brach der Abgasskandal über Volkswagen ein. Die damalige Ankündigung des Aufsichtsratschef Pötsch – die Öffentlichkeit werde erfahren, wie über zehn Millionen Dieselmotoren manipuliert werden konnten – trägt bisher keine Früchte. Die internen Ermittlungen werden wohl weiterhin andauern, bislang gibt es keine zeitliche Festlegung zur Aufarbeitung und Aufklärung. 

Doch das sollte kein Zustand sein: Denn jetzt wurde der frühere VW-Chef von den US Staatsanwälten angeklagt. Er soll möglicherweise in den Abgasskandal verwickelt gewesen sein und sich gegen die Vereinigten Staaten verschworen haben. Und jetzt wird er per Haftbefehl gesucht. Bei einer Verurteilung drohen Winterkorn bis zu 25 Jahre Haft. Derzeit hat Winterkorn eine Verhaftung nicht zu befürchten: Als deutscher Staatsbürger wird er nicht ausgeliefert. Solange er Deutschland nicht verlässt, wird er von den US Behörden nicht verhaftet werden.

Aber auch in Deutschland wird gegen ihn ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt unter anderem wegen Betrugsverdachts. 

Winterkorn könnte dadurch der Ruin drohen: Der Konzern will den ehemalige Volkswagen-Chef für den Milliarden Schaden haftbar machen. Bislang musste VW an die 26 Milliarden Euro für den Skandal zahlen. Sollte sich herausstellen, dass Winterkorn als VW Chef nicht alles versucht hat, um Regelverstöße zu erkennen und sanktionieren, könnte es auch für ihn teuer werden.

 

4.5.2018: Vollstreckung eines schweizerischen Raser-Urteils in Deutschland

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat durch seinen Beschluss vom 25.04.2018 die Vollstreckung gegen einen deutschen Staatsbürger für zulässig erklärt. Der heute 43-jährige Verurteilte ist wohnhaft in Ludwigsburg und wurde am 20.02.2017 von einem schweizerischen Geschworenengericht zu einer Freiheitsstrafe von dreißig Monaten verurteilt. Von der Gesamtstrafe wurde ein bedingter Strafvollzug von 18 Monaten in einer Probezeit von drei Jahren gewährt. Das Oberlandesgericht erklärte die Strafe von 12 Monaten für zulässig, die Vollstreckung der zur Bewährung ausgesetzten Strafe von 18 Monaten wurde jedoch für unzulässig erklärt. 

Der Verurteilte fuhr am 14.07.2014 mit seinem PKW bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit 135 km/h durch den Gotthard-Tunnel in der Schweiz und führte dabei diverse Überholmanöver durch. Während die Polizei die Verfolgung des Verurteilten aufnahm, raste dieser weiter mit 200 km/h über die Autobahnen. Der Verurteilte hatte sich wenige Tage zuvor weitere schwere Geschwindigkeitsverstöße zu Schulden kommen lassen. 

Die Schweizer Behörden stellten daraufhin einen Antrag bei den deutschen Behörden, dass die Strafe des Verurteilten in Deutschland vollstreckt wird. Das Landgericht Stuttgart lehnte diesen Antrag ab, da der zugrunde liegende Sachverhalt in Deutschland lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt und mit einer Geldbuße und nicht einer Haftstrafe sanktioniert wird. Das Oberlandesgericht hat den Beschluss daraufhin aufgehoben und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe von 12 Monaten in Deutschland für zulässig erklärt. Grund dafür ist u.a., dass nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen eine Haftstrafe in Deutschland auch dann vollstreckt werden kann, wenn nach deutschem Recht nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Des Weiteren wurde mit der Einführung des § 315d StGB das Straßenrennen mit Erreichung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit unter Strafe gestellt. 

 

19.4.2018: Betrunkener Raser in Berlin verurteilt

Das Amtsgericht Tiergarten hat entschieden: Der 25-jährige Angeklagte wurde unter anderem der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und der Unfallflucht schuldig gesprochen und zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Dem Urteil liegt ein furchtbarer Unfall zugrunde: 

Am 13. Oktober 2017 wurde der Angeklagte mit einem Freund von der Polizei angehalten worden, weil er in Schlangenlinien gefahren ist. Die Beamten nahmen die beiden Männer mit zur Wache wobei sich herausstellte, dass der Angeklagte ohne Führerschein und mit einem falschen Kennzeichen unterwegs war. Weiterhin wurde ein Alkoholtest durchgeführt. Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt bereits stark alkoholisiert. Die Beamten nahmen ihm den Schlüssel des PKWs jedoch nicht ab, wodurch der Angeklagte „später wieder fahren konnte“, wie er selbst in der Gerichtsverhandlung preisgab. 

Später am Abend trank der Angeklagte weiter Alkohol und fuhr daraufhin mit einem weiteren falschen Kennzeichen erneut los. Er war dabei nicht nur stark alkoholisiert, sondern auch mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit von 90 km/h die Landsberger Allee entlang. Kurz darauf verlor er die Kontrolle über sein Auto und krachte mit immer noch 80 km/h in das Wartehäuschen einer Tram-Haltestelle. Dabei erfasste er zwei Frauen, die als Krankenschwestern im gegenüberliegenden Krankenhaus arbeiteten und nach Arbeitsende auf die Bahn warteten. Die beiden Frauen wurden durch den Aufprall auf die Gleise geschleudert. Die 57-jährige Frau verstarb wenige Minuten später, die 28-jährige Frau wurde mit schweren Verletzungen in das Krankenhaus eingeliefert. Noch heute leidet die Frau an ihren Verletzungen. Der Angeklagte und sein Freund versuchten nach dem Unfall die Flucht zu ergreifen. Dabei wurde der Angeklagte von Passanten festgehalten, während sein Freund wenig später von der Polizei aufgegriffen wurde. 

Das Gericht folgte bei der Verurteilung im Wesentlichen der Staatsanwältin, die allerdings sogar eine um zwei Monate geringere Strafe gefordert hatte. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

17.4.2018: Bremer Raser-Fall

Der zur Tatzeit 23-jährige Angeklagte ist Motorradfahrer, der sein Fahrverhalten mit einer Helmkamera dokumentiert, kommentiert und die fertigen Aufnahmen ins Internet stellt. Der Angeklagte ist in der Vergangenheit bereits durch seine Videoaufnahmen in Erscheinung getreten, aber auch aufgrund diverser Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstöße. Am Tatabend des 17.06.2016 fuhr der Angeklagte mit seinem 200 PS starken Motorrad mit 150 km/h durch die Straßen von Bremen. Er fuhr dabei auf die Unfallkreuzung mit fast 100 km/h zu, bei der die Ampel für ihn von Grün auf Gelb wechselte. Der Angeklagte führte sofort eine Vollbremsung durch. Aufgrund seiner viel zu hohen Geschwindigkeit erfasste er trotz seiner Vollbremsung einen 75-jährigen Fußgänger, der die Kreuzung bei einer für ihn roten Ampel überqueren wollte. Dabei verstarb das Opfer infolge seiner Verletzungen. Der 23-jährige Angeklagte erlitt schwere Verletzungen. 

Das Landgericht Bremen hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Des Weiteren wurden Führerscheinmaßnahmen angeordnet. 

Die Staatsanwaltschaft begehrte mit ihrer zulasten des Angeklagten eingelegten Revision eine Verurteilung wegen Mordes.

Die Richter des BGH verwarfen die Revision. Insbesondere die von der Staatsanwaltschaft angegriffene Beweiswürdigung, infolge dessen ein bedingter Tötungsvorsatz verneint wurde, ist nach Auffassung des BGH nicht zu beanstanden. Das Landgericht sei rechtlich beanstandungsfrei zu dem Entschluss gekommen, dass der Angeklagte trotz der Gefahr andere Verkehrsteilnehmer durch seine Fahrweise zu verletzen, darauf vertraut habe, dass Niemand zu Tode kommen würde. Die Begründung sei, dass der Angeklagte sofort eine Vollbremsung durchführte, als er den Fußgänger bemerkte. Bei einer Vollbremsung von Motorradfahrern besteht immer die Gefahr von schweren eigenen Verletzungen. Das Gericht sei beanstandungsfrei zu dem Entschluss gekommen, dass der Angeklagte geglaubt habe, er könne den Unfall durch eine Vollbremsung vermeiden. 

 

16.4.2018: Frankfurter-Raser-Fall - nicht immer liegt Tötungsvorsatz vor 

Am Abend des 22.04.2015 fuhr der zur Tatzeit 20-jährige Angeklagte mit einem PKW Richtung Frankfurter Innenstadt, um sich mit seinen Freunden zu treffen. Er fuhr auf eine bereits seit 7 Sekunden rote Ampel mit einer Geschwindigkeit von 142 km/h zu, obwohl die zulässige Geschwindigkeit bei 70 km/h lag. Aus der Gegenrichtung fuhr der Geschädigte mit seinem PKW über die führ ihn grün zeigende Ampel und setzte zum berechtigten Überqueren der Fahrbahn des Angeklagten an. Der Angeklagte konnte den Geschädigten aufgrund von dichtem Bewuchs durch Büsche nicht sehen. Er fuhr infolge dessen ungebremst in die rechte Seite des PKW des Geschädigten. Während der Angeklagte nur leicht verletzt wurde, erlag der Geschädigte seinen Verletzungen. 

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte den Angeklagten wegen Fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Des Weiteren wurden Führerscheinmaßnahmen angeordnet. 

Die Richter des BGH haben das Urteil wegen eines Fehlers in der Beweiswürdigung aufgehoben. Nach Auffassung des BGH hat das Landgericht Frankfurt am Main zutreffend erkannt, dass der Angeklagte seinen eigenen Tod zumindest billigend in Kauf genommen hatte, da er nicht angeschnallt war. Allerdings ist es unklar, welche möglichen Unfallszenarien der Angeklagte vor Augen hatte. Es hätte einer weiteren Prüfung bedurft. Darüber hinaus lag ein Fehler bei der Strafzumessung vor, der sich zum Nachteil des Angeklagten auswirken könnte. 

 

9.3.2018: Mordurteil gegen Berliner Raser aufgehoben

Der Bundesgerichtshofs (BGH) hat das bundesweit erste Urteil wegen Mordes gegen zwei Berliner Raser aufgehoben. Der Vorsatz, der  Voraussetzung für ein Mordurteil ist, war nicht hinreichend belegt. Die beiden Männer werden sich nun wegen fahrlässiger Tötung verantworten müssen. Die Sache wurde an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen zur weiteren Feststellung von Tatsachen.

In der Nacht vom 01.02.2016 rasten zwei junge Männer mit bis zu 170 Stundenkilometern durch das Berliner Stadtzentrum. Die Männer veranstalteten ein verbotenes Rennen, bei dem sie mehrere Kreuzungen passierten und rote Ampeln missachteten. Schließlich rammte einer der beiden Männer einen Geländewagen, der mehr als 70 Meter weit geschleudert wurde. Der 69-jährige Autofahrer des Geländewagens verstarb noch am Unfallort. Ein Jahr später verurteilte das Berliner Landgericht die beiden Männer zu lebenslangen Haftstrafen wegen Mordes und entzog ihnen den Führerschein auf Lebenszeit.

Die Richter des Berliner Landgerichts begründeten ihr Urteil damit, dass die beiden Männer mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben: Sie nahmen mögliche Unfälle und Verletzungen von Personen billigend in Kauf, wobei die unkontrollierbaren PS-starken Fahrzeuge als „Mordwaffe“ gedient haben. Der BGH hob das Urteil unter anderem deshalb auf, weil es am Mord-Vorsatz fehle.

Die Meinungen zu diesen Entscheidungen gehen weit auseinander. Seit Oktober des letzten Jahres gibt es einen eigenen Straftatbestand für illegale Autorennen und Raser. Verkehrsexperten erhoffen sich weniger Milde der Gerichte.

 

5.3.2018: Verschärftes Vorgehen gegen Propaganda-Tourismus im Internet

Der Bundesrat will den Propaganda-Tourismus im world wide web verschärfter bekämpfen. Immer häufiger werden volksverhetzende Inhalte ins Internet gestellt. Bisher können die Behörden nur diejenigen strafrechtlich verfolgen, die Propaganda-Material von Deutschland aus ins Netz stellen. Viele Täter umgehen die deutschen Vorschriften und reisen ins Ausland, um die verbotenen Inhalte von dort aus im Netz zu veröffentlichen.

Dagegen will der Bundesrat mit seinem Gesetzesentwurf vom 02.03.2018 vorgehen: Wer Inhalte, die in Deutschland verboten sind, vom Ausland aus im Internet veröffentlicht, soll sich künftig nach deutschem Recht strafbar machen. Durch den Gesetzesentwurf soll unter anderem verhindert werden, dass die Nutzung der Kennzeichen von verfassungswidrig eingestuften Organisationen verharmlost wird.

Derzeit ist noch unbekannt, wann sich der Bundestag zu dem Entwurf äußern wird.

 

5.3.2018: Bundesrat fordert weitere Strafen für Gaffer 

Immer häufiger kommt es vor, dass Gaffer Fotos und Videos von Unfällen oder Anschlägen aufnehmen und sogar ins Internet stellen. Dabei werden die verunglückten Opfer oft bloß gestellt. Dieses Verhalten verstößt nicht nur gegen das Persönlichkeitsrecht des Opfers, sondern ist auch unzumutbar für die Angehörigen. Der Bundesrat will nun noch härter dagegen vorgehen.

Bereits 2016 gab es diesbezüglich einen Gesetzesentwurf, um das Gaffen besser zu bekämpfen. Seit dem letzten Jahr können Gaffer, wenn sie Rettungskräfte durch ihr Verhalten behindern, wegen unterlassener Hilfeleistung zur Rechenschaft gezogen werden. Der Bundestag griff dadurch jedoch nur einen Aspekt der Problematik auf: Das bloße Herstellen und Verbreiten von Aufnahmen ist weiterhin straffrei.

Diese Lücke im Gesetz soll jetzt geschlossen werden: Gaffer, die Fotos oder Videos von tragischen Ereignissen aufnehmen oder im Internet verbreiten sollen künftig bestraft werden, wenn sie damit tödlich verunglückte Opfer bloßstellen.

Der Bundestag wird den Gesetzesentwurf vorgelegt bekommen. Wann es von dort eine Entscheidung oder eine Stellungnahme geben wird ist momentan noch unbekannt.

 

20.2.2018: Finanzämter verschärfen ihre Kontrollen - "Kassen-Nachschau"

Seit dem 01.01.2018 gilt die sogenannte „Kassen-Nachschau“ für alle Unternehmen mit einem Kassensystem. Dabei werden die im Kassensystem erfassten Daten von Bediensteten des Finanzamtes überprüft. Die Prüfung erfolgt ohne Voranmeldung und der Prüfer darf alle gespeicherten Daten des Kassensystems einsehen und gegebenenfalls auch mitnehmen. Bei einigen Branchen erfolgt die Kassen-Nachschau in Verbindung mit einer Lohnsteuer-Nachschau. Dabei überprüfen die Finanzbeamte, welche Arbeitnehmer im Unternehmen tätig sind und ob die lohnsteuerlichen Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind.

Bestehen in einem Unternehmen Unsicherheiten darüber, ob das Kassensystem den gesetzlichen Anforderungen entspricht, sollte das Hinzuziehen eines Steuerberaters und eines Kassenfachhändlers in Betracht gezogen werden. Das Finanzamt rät dazu, sich bei möglichen Risiken schnell und umfangreich zu informieren um Verstöße zu vermeiden.

Letztlich drohen im Falle einer für den Unternehmer negativen Kassen- Nachschau erhebliche steuerliche und steuerstrafrechtliche Risiken.

 

2.11.2017: Online-Seminar zum Wettbewerbsregister

Unter dem 25.7.2017 haben wir hier auf dem Blog bereits über die Einführung eines Wettbewerbsregisters berichtet. Rechtsanwalt Stefan-Marc Rehm, talanwälte, wird zu diesem Thema am 22.2.2018, 14 Uhr, im Rahmen eines Online-Seminars des Anbieters Haufe Onlinetraining referieren. Nähere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier:

https://onlinetraining.haufe.de/produkt/recht--compliance/online-seminar/das-neue-wettbewerbsregister-auswirkungen-fuer-unternehmen-mit-oeffentlichen-oder-privaten-auftraegen/#Inhalte

Oder wenden Sie sich direkt an Herrn Rehm.

 

2.11.2017: Compliance, Kartell - 880 Mio. € Bußgeld

Der LKW-Hersteller Scania gehörte zu einem LKW-Kartell, das über 14 Jahre hinweg gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen hat. Die LKW-Hersteller hatten Verkaufspreise für Lastkraftwagen untereinander abgesprochen und vereinbart, die Kosten für neue Technologien zur Einhaltung der strengeren Emissionsvorschriften an die Kunden weiterzugeben.  

Im Gegensatz zu den anderen fünf Kartellteilnehmern entschied sich Scania 2016 gegen einen Vergleich. Jetzt hat die Kommission entschieden: Gegen Scania wird eine Geldbuße von über 880 Millionen Euro verhängt.

Die Güterbeförderung über die Straße ist ein wichtiger Teil des Verkehrssektors. Doch statt zu konkurrieren, sprachen sich die LKW-Hersteller miteinander ab. Die gesamten Absprachen bezogen sich überwiegend auf die Anhebung der Bruttolistenpreise, den Zeitplan für die Einführung neuer Emissionstechnik und die Weitergabe der damit verbunden Kosten an die Kunden.

 

22.10.2017: Illegale Autorennen - Kriminalstrafe statt Freizeitbeschäftigung 

Wie wir bereits im Juli berichtet haben, hat der Bundestag am 29.06.2017 das neue Gesetz gegen illegale Autorennen beschlossen. Am 22.09.2017 wurde das Gesetz auch durch den Bundesrat gebilligt: Härtere Sanktionen für die „Raser - Szene“.

Wer künftig ein illegales Autorennen veranstaltet, durchführen oder daran teilnehmen will, muss mit harten Konsequenzen rechnen: von Freiheitsstrafen bis hin zur Entziehung der Fahrerlaubnis und Einziehung der Fahrzeuge. Auch Personenschäden sollen künftig mit Haftstrafen bis zu zehn Jahren bestraft werden.

Der Bundesrat ist zuversichtlich, mit den neuen Regelungen effektiver gegen die „Raser-Szene“ vorzugehen und gefährliche Beschleunigungsrennen künftig verhindern zu können.

Denn wer rast, gefährdet nicht nur sich selbst.

 

22.10.2017: Hohe Strafen bei Handynutzung am Steuer und Behinderung von Rettungskräften

Der Bundesrat hat die Erhöhung von diversen Bußgeld - Tatbeständen in seiner Sitzung am 22.09.2017 ausdrücklich begrüßt. Künftig müssen Autofahrer, die für Polizei- und Hilfskräfte keine Rettungsgasse bilden oder ihr Handy am Steuer verwenden, mit deutlich erhöhten Bußgeldern rechnen. Wer als Autofahrer für die Polizei- oder Hilfskräfte keine Rettungsgasse bildet, muss mit einem Bußgeld von bis zu 200 Euro rechnen. Jede weitere Behinderung oder Gefährdung kann mit bis zu weiteren 120 Euro bestraft werden. Auch einmonatige Fahrverbote drohen den Autofahrern künftig.

Auch wer mit dem Handy am Steuer erwischt wird, muss künftig tiefer in die Tasche greifen. Bei  Verstößen gegen das Handyverbot müssen Autofahrer eine Strafe von 100 Euro zahlen und erhalten einen Punkt im Verkehrszentralregister in Flensburg.

Auch für Fahrradfahrer werden die Strafen erhöht: Wer sich künftig mit dem Handy in der Hand erwischen lässt, muss 55 Euro zahlen.
Die neue Regelung gilt auch für Tablets und Laptops.

Aber: Die Bedienung der Geräte mittels Sprachsteuerung und Vorlesung bleibt zulässig, ebenso die sekundenschnelle Nutzung.

Darüber hinaus enthält die neue Verordnung ein weiteres Verbot: Autofahrer dürfen ihr Gesicht am Steuer nicht mehr verhüllen oder verstecken, um eine Identitätsfeststellung zu vereiteln.

 

22.10.2017: Bundesrat beschließt besseren Schutz von Geheimnisträgern

Bereits am 29.06.2017 beschloss der Bundestag: Der Schutz von Berufsgeheimnissen soll praktikabler werden. Am 22.09.2017 billigte der Bundesrat dann das „Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen“.

Bislang riskierten Berufsgeheimnisträger wie Anwälte, Mediziner oder Steuerberater einen Verstoß gegen das Berufsrecht, wenn sie vertrauliche Informationen an Dritte weitergaben. Das stand bisher dem geltenden Berufsrecht sowie den Regelungen des § 203 StGB über den Schutz von Berufsgeheimnissen entgegen. Doch das soll sich durch die Neufassung des § 203 StGB künftig ändern: Die Weitergabe von Berufsgeheimnissen an mitwirkende Personen – beispielsweise Angestellte oder Wartungsdienste – wird möglich sein!

Im Zusammenhang dazu passte der Bundestag das Berufsrecht entsprechend an die Neufassung des § 203 StGB an.

Auch wenn das Outsourcing von Geheimnissen künftig gebilligt wird, müssen die Berufsgeheimnisträger dafür Sorge tragen, dass die einbezogenen Personen vertraulich mit den Informationen umgehen. Mit anderen Worten: Es muss dafür gesorgt werden, dass einbezogene Hilfskräfte oder Angestellte sich zur Geheimhaltung verpflichten. Auch Mitwirkende Personen können sich durch die Neufassung strafbar machen: Offenbart beispielsweise ein einbezogener Angestellter ein Berufsgeheimnis, welches ihm im Zuge seiner Tätigkeit bekannt geworden ist, so macht er sich künftig strafbar.

Das Gesetz wurde dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung übermittelt. Es soll unmittelbar einen Tag nach Verkündung in Kraft treten. 

 

21.10.2017: Fußball und Landfriedensbruch

Am 18.01.2014 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei verschiedenen Gruppen von Fußballanhängern.  Zur Teilnahme an der Auseinandersetzung wurde über WhatsApp aufgerufen. Die Mitglieder der ersten Gruppe trafen sich in der Innenstadt, bildeten eine Formation und marschierten geschlossen los. Während des Marsches entfernte sich der Angeklagte D aus der Formation und beobachtete anschließend alles von der Seite. Als die erste Gruppe auf die zweite Gruppe traf, brach ein großer Kampf aus, an dem D nicht mehr beteiligt war.

Der Bundesgerichtshof  hatte sich mit der Regelung des § 125 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen. Eine  Strafbarkeit wegen Landfriedensbruchs setzt nach Auffassung des BGH weder Täterschaft bei der Begehung von Gewalttätigkeiten noch die Zugehörigkeit des Beteiligten zur Menschenmenge zum Zeitpunkt der Gewalttätigkeiten voraus (Urteil vom 24.05.2017, Aktenzeichen 2 StR 414/16).

Der Bundesgerichtshof verurteilte den Angeklagten D dennoch wegen Landfriedensbruchs gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. Auch wenn der Angeklagte D an der Begehung der Gewalttätigkeiten nicht beteiligt war, reiche die Eingliederung in die Formation vor Beginn des Kampfes aus, so der BGH. Denn der Angeklagte zeige damit Solidarität mit den gewaltbereiten Gruppenmitgliedern.  Das alleinige Ziel aller Beteiligten war die Begehung von Gewalttätigkeiten – und der Angeklagte förderte durch die Eingliederung die Entschlossenheit aller Beteiligten.

Des Weiteren hebe die nachträgliche Distanzierung von der Gruppe die Strafbarkeit nicht auf. Denn eine Beteiligung könne auch im Vorfeld der eigentlichen Tathandlung erfolgen. Daran ändere auch  die Tatsache, dass der Angeklagte sich kurz vor Beginn von der Gruppe entfernt hat, nichts.  Der Angeklagte nahm seine Mitwirkungshandlung als Teil der Gruppe zu einem Zeitpunkt vor, indem die Gewalttätigkeiten unmittelbar bevorstanden. Denn durch das Ausscheren des D war der Angriff der Gruppe auf die gegnerische Gruppe nicht mehr aufzuhalten.

Der BGH dehnt dmit eine Strafbarkeit wegen Landfriedenbruchs erheblich aus, frei nach dem altbekannten Motto „Mitgegangen, Mitgefangen, Mitgehangen“.

 

21.10.2017: Kein Beweisverwertungsverbot bei Geschwindigkeitsüberwachungen

§ 48 Abs. 2 S. 3 OBG NRW regelt, dass die Geschwindigkeitsüberwachung auf Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen durch die Kreisordnungsbehörden nur mit in festinstallierten Anlagen eingesetztem technischen Gerät erfolgen darf. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dazu entschieden: Ein Verstoß gegen diese Regelung stellt kein Beweisverwertungsverbot dar. Die Norm dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse (Urteil vom 07.08.2017, Aktenzeichen IV-3 RBs 167/17).

Hintergrund des Urteils ist ein Urteil des Amtsgerichts Mettmann. Dort wurde ein Betroffener wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 120 Euro verurteilt.  Der Betroffene befuhr eine Bundesautobahn mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h mit seinem PKW mit einer Geschwindigkeit von mindestens 99 km/h. Die Messung wurde vom Kreis Mettmann mit der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage „TraffiStar S350 Semi-Station“ durchgeführt.  Der Betroffene stellte aufgrund der Verletzung des § 48 Abs. 2 S. 3 OBG NRW einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet verworfen. Der Verfahrensfehler berühre den Rechtskreis des Betroffenen nicht. Es handelt sich um öffentliches Interesse. Denn die Benennung von Überwachungsmitteln im Gesetz dient der Vermeidung von Koordinierungsproblemen mit der polizeilichen Verkehrsüberwachung, die die Kreispolizeibehörden mit mobilen Anlagen durchführen.

Die Regelung des § 48 Abs. 2 S.3 OBG NRW stellt somit keine Einschränkung dar, sondern die Steigerung der Effektivität der Geschwindigkeitsüberwachung: Überschneidungen von Tätigkeiten zweier als gleichrangig angesehen kompetenten Behörden soll vermieden werden. Das Gesetz entfaltet somit aber keine Schutzfunktion für den Betroffenen. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wäre nach Auffassung des OLG Düsseldorf gleichermaßen festzustellen, wenn die Messung von der Polizei durchgeführt worden wäre.

Also: Kein wirklicher Erfolg für den Betroffenen.

 

21.10.2017: Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat sich jüngst mit der Frage beschäftigt, wann sich ein Unfallbeteiligter „endgültig“ vom Unfallort entfernt hat und bis wann man Beihilfe dazu leisten kann, Urteil vom 10.07.2017, Aktenzeichen 2 Rv 10 Ss 581/16.

Hintergrund des Urteils ist ein vorangegangenes Strafverfahren, in dem der Angeklagte C rechtskräftig verurteilt wurde. Er  verursachte in einem alkoholbedingt fahruntüchtigen Zustand einen Verkehrsunfall, bei dem ein Motorradfahrer getötet wurde.  Daraufhin „floh“ er vom Unfallort. Die Staatsanwaltschaft beantragte Strafbefehle gegen zwei weitere Angeklagte A und B. Der Angeklagte A soll dem Angeklagten C bei mehreren Telefonaten während seiner Flucht versprochen haben, ihm beizustehen und zu helfen. Der Angeklagte B holte den C in einem Industriegebiet ab, wo der Angeklagte C sich versteckt hatte. Das Amtsgericht Freiburg sprach die beiden Angeklagten frei.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob das Urteil auf. In Betracht kommen nach Auffassung des Revisionsgerichtes die Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort sowie die versuchte Strafvereitelung. Der Angeklagte C rief den A an, als er schon außer Sichtweite des Unfalls war, allerdings war das „Sich-Entfernen“ vom Umfallort zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Demnach ist das „Sich-Entfernen“ erst beendet, wenn der flüchtende Unfallbeteiligte vor Feststellungen zugunsten Feststellungsberechtigter endgültig in Sicherheit gebracht hat. Somit ist die Beihilfe auch bis zu diesem Zeitpunkt möglich. Die Telefonate zwischen C und B fanden während der „Flucht“ statt. Des Weiteren waren sich A und B vermutlich gar nicht bewusst, eine Strafvereitelung zu begehen, indem sie dem C halfen und ihm beistanden. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist es jedoch nicht von Belang, ob die Erreichung des Taterfolgs das Ziel eines Täters ist – im Gegenteil, die Erreichung des Ziels kann sogar gänzlich unerwünscht sein. Denn wer einen bestimmten Erfolg als zwingende Folge seines Handelns erkannt hat, entscheidet sich mit der Ausführung der Handlung gleichwohl für das Unrecht.  

Alles Weitere ist in der neuen Instanz zu klären.

 

18.9.2017: BGH-Urteil - Compliance-Management-System beeinflusst die Höhe von Bußgeldern

Nach der aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 09.05.2017 – 1 StR 265/16) wird die Existenz eines Compliance-Management-Systems (CMS) bei der Festsetzung einer Geldbuße nach § 30 OWiG berücksichtigt und kann sich bußgeldmindernd auswirken!

In dem konkreten Fall handelt es sich um eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Der BGH hob das Urteil auf, und verwies das Urteil an eine andere Wirtschaftskammer des erkennenden Gerichts. Bei der Bemessung der neuen Geldbuße soll neben den Vorschriften des OWiG auch die Einführung eines CMS von Bedeutung sein. Dazu zählen Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Rechtsverstöße sowie auch die Optimierung entsprechender Regelungen  nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens zur Vermeidung ähnlicher Verstöße.

Das Urteil des BGH ist zu begrüßen: Die Anerkennung von Compliance-Vorkehrungen ist für Unternehmen, die solche bereits eingerichtet haben, eine erfreuliche Nachricht. Denn auch wenn die Compliance-Maßnahmen versagen, zahlen sich die Bemühungen am Ende aus.

Aber: Unternehmen, die bisher auf die Einführung eines CMS verzichtet haben und erst beginnen, ein solches System einzuführen, wenn „die Welt nicht mehr in Ordnung ist“, dürfen nicht darauf hoffen, dass nachträgliche Bemühungen bei einer Strafbemessung berücksichtigt werden.

Denn nach wie vor gilt: Vorsorge ist besser als Nachsorge!

 

4.9.2017: Blockieren der Rettungsgasse wird teurer

Für die Politik ist es inzwischen unabdingbar, Rettungskräfte bei Ihrer Arbeit zu unterstützen. Nach einer einstimmigen Entschließung des Bundesrates vom 07.07.2017 sollen zukünftig Geldbußen bei der Nichtbildung einer Rettungsgasse bei mindestens 200,00 € liegen - genauso hoch wie bei Rotlicht-Verstößen. Der Bundesrat fordert ferner Fahrverbote sowie Präventivmaßnahmen zur Bedeutung und des Bildens von Rettungsgassen.

Das vorsätzliche Behindern von hilfeleistenden Personen ist seit dem 30.05.2017ein eigener Straftatbestand. Nach Ansicht des Bundesrates soll fahrlässiges Verhalten ebenfalls sanktioniert werden, um die Gefährdung von Menschenleben vorzubeugen. Die bisherigen Bußgelder im Vergleich zu den Nachbarländern sind viel zu niedrig und bundesweit sind einheitliche Beschilderungsmaßnahmen bzw. Infotafeln erforderlich. 

 

4.9.2017: Handyverbot der StVO gilt auch für Handys ohne SIM

Nach einer aktuellen, rechtskräftigen Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 08.06.2016, 4 RBs 214/17) liegt auch dann ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO vor, wenn ein Fahrzeugführer während der Fahrt sein Handy in der Hand hält und damit Musik abspielen lässt - selbst wenn das Mobiltelefon keine SIM-Karte enthält. Die StVO verbietet während der Fahrt nicht nur die Benutzung eines Handys zum Telefonieren, sondern jegliche Nutzung eines Mobiltelefons, wenn dieses hierfür aufgenommen oder gehalten werden muss.

In dem konkreten Fall hielt der Betroffene sein iPhone ohne SIM-Karte während der Fahrt in der Hand und hörte darüber Musik. Das Amtsgericht Olpe hat ihn vom Vorwurf der verbotswidrigen Nutzung eines Mobiltelefons freigesprochen, mit der Begründung, dass ein Mobiltelefon ohne SIM dem Verbot der StVO nicht unterliege, weil so eine Telekommunikation mit dem Gerät nicht möglich ist.

Das OLG Hamm hat mit seinem Beschluss die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nicht zugelassen, weil diese Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden sei und es sich nur um eine Abweichung im Einzelfall handele. Der Betroffene hatte folglich Glück.

Denn das OLG Hamm hat bereits in mehreren Entscheidungen dargelegt, dass es nicht darauf ankäme, ob eine SIM-Karte vorhanden sei, sondern vielmehr darauf, ob (irgend-)eine Funktion eines Mobiltelefons während der Fahrt genutzt werde.

 

4.9.2017: Antippen des Home-Buttons des Handys während der Autofahrt auch verboten

Das OLG Hamm hat in seinem rechtskräftigen Beschluss vom 29.12.2016 (1 RBs 170/16) klargestellt:

„Auch bei dem Antippen des Home-Buttons des in der Hand gehaltenen Mobiltelefons, um dadurch zu kontrollieren, ob das Gerät ausgeschaltet ist, handelt es sich um eine … Benutzung des Mobiltelefones.“

Das OLG Hamm hat somit bestätigt, dass derjenige, der während der Fahrt sein Handy in den Händen hält und mit der Home Taste kontrolliert, ob dieses ausgeschaltet ist, eine Ordnungswidrigkeit begeht.

Im konkreten Fall wurde gegen einen Autofahrer vor dem Amtsgericht Hamm ein Bußgeld von 100,00 € verhängt, weil er während der Fahrt sein Handy in der Hand hielt und den Home-Button getätigte, was einem Polizisten auffiel. In der Verhandlung gab er an, er wollte nur kontrollieren, ob sein Handy tatsächlich ausgeschaltet gewesen sei.

Seine Rechtsbeschwerde hatte jedoch keinen Erfolg, das OLG Hamm hat das Urteil des Amtsgerichts Hamm mit der Maßgabe bestätigt, dass der Autofahrer die Tat vorsätzlich beging. Nach Ausführung des Gerichts wird das Mobiltelefon bereits durch die Betätigung des Buttons auch im ausgeschalteten Zustand bestimmungsgemäß genutzt, sodass auch in solchen Fällen ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO vorliegt.

 

25.7.2017: Einführung eines zentralen Wettbewerbsregisters - Auf dem Weg zum Unternehmensstrafrecht

Am 29.03.2017 hat das Bundeskabinett beschlossen: Es soll ein zentrales Wettbewerbsregister eingeführt werden. Damit könnte ein weiterer Schritt hin zur Strafbarkeit von Unternehmen gemacht sein.

Das Vergaberecht sieht vor, dass Unternehmen von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen ausgeschlossen werden können, wenn man ihnen gravierende Rechtsverstöße nachweisen kann. Doch bisher gestaltete sich dieser Prozess schwierig für die Vergabestellen, denn bisher gab es Korruptionsregister nur in einigen Bundesländern.  Doch das soll sich jetzt ändern: Ein zentrales Wettbewerbsregister soll es öffentlichen Auftraggebern ermöglichen, Unternehmen schnell und einfach zu überprüfen und dieses dann vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Das neue zentrale Wettbewerbsregister soll beim Bundeskartellamt angegliedert werden, wodurch das Vergabeverfahren einen einheitlichen Rechtsrahmen erhält. Und so funktioniert es:

Öffentliche Vergabestellen können anhand einer einzigen elektronischen Abfrage  Bewerberunternehmen überprüfen.  Die Datenbank des zentralen Wettbewerbsregisters enthält Strafbefehle, rechtskräftige Verurteilungen und Bußgeldentscheidungen zu wettbewerbsrelevanten Delikten. Wird einem Unternehmen eine Straftat nachgewiesen, kann es vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Vergehen, welche zum Ausschuss eines Bewerberunternehmens führen können, sind beispielsweise:

- Geldwäsche

- Terrorismusfinanzierung

- Menschenhandel

- Bestechung

- Steuerhinterziehung

Ab einem Auftragswert von 30.000 Euro sind die Vergabestellen künftig dazu verpflichtet, vor der Erteilung eines Zuschlags eine elektronische Abfrage über eine mögliche Eintragung des Unternehmens durchzuführen.

Aber: Nach Ablauf einer bestimmten Frist sind Einträge von Unternehmen aus dem Register zu löschen. Auch durch eine sogenannte “Selbstreinigung“ ist es den Unternehmen möglich, eine frühzeitige Löschung aus dem Register zu beantragen. Die Selbstreinigungsmaßnahmen können beispielweise konkrete technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen sein, welche ergriffen wurden, um künftiges Fehlverhalten zu vermeiden. Compliance – Maßnahmen werden also immer wichtiger. Die Registerbehörde entscheidet im weiteren Verlauf, ob die Eintragungen eines Unternehmens gelöscht werden können.

Ziel des zentralen Wettbewerbsregisters ist die Eindämmung von Korruption und Wirtschaftskriminalität. Aber nicht nur das: Das Register kann dazu beitragen, dass öffentliche Aufträge vorzugsweise an solche Unternehmen vergeben werden, die sich im Wettbewerb fair verhalten haben und keine Straftaten begangen haben. 

 

25.7.2017: Aufsichtspflichtverletzung im Unternehmen als Ordnungswidrigkeit

Die Gefahr, sich als Unternehmensleiter oder Führungskraft „falsch“ zu verhalten, ist für viele ein alltägliches Problem. Durch Compliance-Organisationen können Probleme vermieden oder behoben werden – aber eben nicht Alles. Umso wichtiger ist es für Führungskräfte sich mit ihrem Pflichten vertraut zu machen: Dazu zählt unter anderem die Vorschrift des § 130 OWiG.

§ 130 OWiG bestimmt: Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig erforderliche Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die dazu dienen sollen, strafbares Verhalten im Unternehmen zu verhindern, verletzt damit die Vorschriften des § 130 Abs.1 OWiG durch die sogenannte „Aufsichtspflichtverletzung“ und begeht selbst eine Ordnungswidrigkeit.

Doch wann verletzt man seine Aufsichtspflicht? Nach dem Gesetzeswortlautes des § 130 Abs. 1 OWiG gehören zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen die „Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen“. Demnach ist beispielsweise der Inhaber eines Lebensmittelbetriebes für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften durch seine Mitarbeiter verantwortlich, jedoch nicht für deren Verhalten im Straßenverkehr nach Ende der Arbeitszeit. Das bedeutet nicht, dass ein Unternehmensleiter stets jede Zuwiderhandlung voraussehen können muss – er muss lediglich dafür Sorge tragen, dass er alles subjektiv Mögliche getan hat, um eine Zuwiderhandlung zu vermeiden. Denn für einen fahrlässigen Verstoß genügt schon, dass der Betroffene voraussehen konnte, dass seine Unterlassung von Aufsichtsmaßnahmen die Zuwiderhandlung ermöglicht oder verstärkt haben könnte.  

Ein praxisbezogenes Beispiel: Verletzung der Aufsichtspflicht durch Inhaber von Trinkhallen

Das OLG Köln (Urteil vom 29.01.2010 – III-1 RBs 24/10) verurteilte die Inhaberin einer Trinkhalle wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht gemäß § 130 OWiG zu einer Geldbuße. Die Inhaberin erteilte ihren Mitarbeitern die Weisung, keinen Alkohol an Jugendliche zu verkaufen. Trotz mehrfacher Anweisung kam es zu Verstößen durch ihre Mitarbeiter.

Das OLG Köln begründet seine Entscheidung damit, dass eine Zuwiderhandlung hier nicht erschwert wurde – oder gar versucht wurde, zu verhindern. Eine bloße Anweisung reicht nicht aus. So lautet es im Urteil, der Inhaber eines Betriebes​​​​​​​

„darf nichts unversucht lassen, um erkannten oder erkennbaren Zuwiderhandlungsverfahren entgegenzuwirken. Bleibt er gegenüber derartigen Gefahren untätig und kommt es demnach zu einer konkreten Zuwiderhandlung, so erweist sich diese als Realisierung des nicht bekämpften Gefahrkomplexes.“

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass sich Unternehmensleiter und Führungskräfte nicht auf ihren Anweisungen “ausruhen“ dürfen und darauf vertrauen können, dass diese immer befolgt werden. Denn ein Verstoß gegen § 130 OWiG wird mit hohen Bußgeldern bestraft. 

 

26.6.2017: Rechtsanwalt Rehm Leiter des Fachausschusses Umweltstrafrecht

Stefan-Marc Rehm, Fachanwalt für Strafrecht und Rechtsanwalt der Kanzlei talanwälte, Wuppertal, ist seit Juni 2017 Leiter des Fachausschusses für Umweltstrafrecht beim Verband „Deutscher Strafverteidiger Verband e.V.“.

Hintergrund ist, dass die Zahl der Umweltstraftaten statistisch zugenommen hat und strenger verfolgt werden. Dadurch steigen auch auf Seiten der Verteidigung die Kompetenzanforderungen. Kenntnisse des allgemeinen Strafrechts und Prozessrechts genügen hier nicht. Durch den neu gegründeten Fachausschuss soll eine hochkompetente Beratung und Verteidigung im Umweltstrafrecht gewährleistet werden. Wichtig, so Rechtsanwalt Rehm, sei hier insbesondere die Verbindung zum verwaltungsrechtlichen Umweltrecht, denn Umweltstrafrecht kann ohne umweltrechtlichen Hintergrund nicht beraten werden.

 

23.6.2017: „Legendierte“ Polizeikontrollen zulässig 

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 26.04.2017 die Revision eines Angeklagten verworfen, welche vormals vom Landgericht Limburg wegen Einfuhr und Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 6,5 Jahren verurteilt wurde.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat durch ihre verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gegen eine marokkanische Tätergruppe erfahren, dass der Angeklagte vor habe, Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland einzuführen und hier weiterzuverkaufen. Als ein Peilsender verriet, dass der Angeklagte bereits die Grenze überschritten habe, entschied sich die Kriminalpolizei, das Fahrzeug im Rahmen einer verkehrspolizeilichen Kontrolle anhalten und durchsuchen zu lassen, um die Betäubungsmittel (insgesamt ca. 8 kg) sicherzustellen. Ein richterlicher Beschluss für die Fahrzeugdurchsuchung wurde im Hinblick auf die verdeckten Ermittlungen und auf die noch aktiven Hintermänner nicht eingeholt.

Der Angeklagte führte in seiner Revision aus, die Durchsuchung des Fahrzeugs fand ohne richterliche Anordnung statt, somit dürfen so gefundene Beweise  - die auch zu seiner Verurteilung geführt haben - gem. §§ 102, 105 StPO nicht verwertet werden. Der BGH stellte jedoch klar, dass die Durchsuchung auch auf hessischem Landesrecht basiert und damit ohne Richtervorbehalt möglich war: „Es besteht weder ein allgemeiner Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt“ - steht es in der Begründung. Für die Verwendung polizeilicher Erkenntnissen im Strafverfahren ist nur notwendig, dass diese rechtmäßig erhoben wurden und zur Aufklärung einer Straftat dienen, aufgrund derer auch eine Maßnahme nach StPO hätte angeordnet werden können. Es ist nicht erforderlich, dass die formellen Anordnungsregeln der StPO eingehalten werden.

 

23.6.2017: Hilfslosigkeit zur Schau gestellt

Der BGH befasste sich in seinem Beschluss vom 25.04.2017 mit den Voraussetzungen, unter denen die Hilflosigkeit einer Person auf einer Bildaufnahme zur Schau gestellt wird. Im Ausgangsfall wurden die Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und teilweise wegen Verletzung des persönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verurteilt.

Die jüngere Schwester des Angeklagten K. führte eine verborgene Liebesbeziehung mit dem Nebenkläger, wobei die beiden auch Geschlechtsverkehr hatten, womit der Nebenkläger später geprahlt hatte. Der Angeklagte K. empfand dies als Beleidigung und machte den Nebenkläger für die schlechte Verfassung seiner Schwester infolge der Trennung verantwortlich. Der Nebenkläger wurde von K. im Beisein der anderen Angeklagten körperlich misshandelt und u.a. mit einem Gummihammer bedroht. K. forderte ihn auf, 2500 € für eine Hymen – Rekonstruktion der Schwester zu zahlen.

K. zwang den Nebenkläger dazu, sich eine leere 0,3 l - Flasche rektal einzuführen und filmte das Geschehen mit dem Handy eines Mitangeklagten. Auf der Aufnahme wird zunächst das Gesicht des Opfers und später dessen Gesäß gezeigt. K. drohte den Nebenkläger damit, das Video im Internet zu veröffentlichen, wenn er nicht die 2500 € zahle oder zur Polizei gehe.

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Essen auf und verwies die Sache zurück zu neuer Verhandlung, denn er sah weder den Versuch der Straftat noch die Voraussetzungen für die Verletzung des persönlichen Lebensbereich durch Bildaufnahmen bewiesen, weil Letztere die Herstellung von Bildaufnahmen voraussetzt, welche die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen. Als Hilflosigkeit ist ein Zustand zu verstehen, in dem eine Person selbst nicht helfen kann und auf Hilfe angewiesen ist, ohne diese zu erhalten. Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs muss durch den Bildinhalt erfolgen.

Eine Hilflosigkeit liegt auch dann vor, wenn ein Mensch Opfer einer mit Gewalt bzw. Drohungen gegen Leib/Leben ausgeübten Straftat ist und deshalb Hilfe benötigt oder sich gerade in eine Entführungssituation befindet. Das Zur-Schau-Stellen setzt eine besondere Hervorhebung der Hilflosigkeit als Bildinhalt voraus. Die Hilflosigkeit muss für einen Betrachter bereits aus der Bildaufnahme ersichtlich sein. Nach Ansicht des BGH wurde die Frage, ob der Bildinhalt die Hilflosigkeit des Opfers zu erkennen gibt, nicht geprüft. Aus dem Urteil des Landgerichts ist nicht ersichtlich, ob die Videoaufnahme, auf welcher der Nebenkläger sich eine Flasche rektal einführen musste, auch die Bedrohungssituation widerspiegelt. Die Einführung der Flasche verrät noch nichts über den Kontext dieser Handlung. 

 

17.5.2017: Gaffen an Unfallstellen zukünftig strafbar

Am 12.05.2017 billigte der Bundesrat den Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 27.4.2017, nach welchem zukünftig härtere Strafen bei tätlichen Angriffen auf Rettungskräfte und Polizisten verhängt werden sollten. Bislang konnten nur Angriffe während einer Vollstreckungshandlung (z.B. Festnahme) mit einer Haftstrafe geahndet werden, zukünftig droht eine Haftstrafe bis zu 5 Jahren auch bei Übergriffen während einfacher Diensthandlungen (z.B. Unfallaufnahme).

Durch die Einführung des neuen Straftatbestandes „Behinderung von hilfeleistenden Personen“ soll u.a. das Blockieren einer Rettungsgasse sowie Gaffen an Unfallstellen verhindert werden. Ein besonders schwerer Fall von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – hierzu zählen auch Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder des Rettungsdienstes – ist u.a. dann gegeben, wenn der Täter oder ein sonstiger Beteiligter eine Waffe bei sich führt, auch wenn er diese nicht verwendet.

Das Gesetz liegt nun dem Bundespräsidenten vor und soll am Tag nach der Unterzeichnung in Kraft treten.

 

10.4.2017: Nach einmaliger Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille ist keine MPU notwendig

Nach zwei aktuellen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.04.2017 (Az.. BVerwG 3 C 24.15; BVerwG 3 C 13.16) kann die Führerscheinbehörde die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht immer von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens (bekannt als MPU) abhängig machen. Das gilt für Fälle, in denen die Fahrerlaubnis wegen einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille entzogen wurde. Wenn zusätzliche Tatsachen für einen künftigen Alkoholmissbrauch sprechen, ist die Aufforderung zur Vorlage einer MPU allerdings weiterhin nicht zu beanstanden.

In beiden Verfahren wurde den Klägern wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (1,28 bzw. 1,13 Promille) die Fahrerlaubnis entzogen. Als sie nach Ablauf der Sperrfrist die Neuerteilung beantragten, wurden sie von der Fahrerlaubnisbehörde aufgefordert, eine MPU vorzulegen. In beiden Fällen ist die Klage auf Erteilung der Fahrerlaubnis ohne MPU bislang ohne Erfolg geblieben. Durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurden die Beklagten jeweils verpflichtet, den Klägern die Fahrerlaubnisse auch ohne MPU zu erteilen.

 

5.4.2017: Strafrechtliche Vermögensabschöpfung vereinfacht

Der Bundestag hat beschlossen, dass zukünftig alle wirtschaftlichen Vorteile, die durch eine Straftat erlangt wurden, dem „Bruttoprinzip“ entsprechend abgeschöpft werden können. Das durch kriminelle Handlungen erlangte Vermögen soll auch dann eingezogen werden können, wenn die konkrete Straftat nicht mehr nachgewiesen werden kann. Es soll jedoch „kein vernünftiger Zweifel“ daran bestehen, dass die Erträge aus der rechtswidrigen Tat herrühren.

Die Bundesregierung beabsichtigt, den Kampf gegen die Kriminalität zu verstärken, sodass Straftaten sich nicht mehr lohnen. Die Entschädigung der Geschädigten einer Straftat wird auch vereinfacht, Opfer sollen zukünftig schneller und kostengünstiger ihre Schadensersatzansprüche durchsetzen können.

 

30.3.2017: Sportwettbetrug und die Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben als neue Straftat

Nach der Entscheidung des Bundesrates vom 09.03.2017 sollen zukünftig Sportwettbetrug und die Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben als neue Tatbestände im Strafgesetzbuch geregelt werden. Nach geltendem Recht ist die wirksame Strafverfolgung nicht ausreichend, um die Integrität des Sports sowie das Vermögen anderer zu schützen. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz des Sports machen besondere Schutzmaßnahmen notwendig.

Durch die Einführung der §§ 265c - f StGB sollen Trainer, Sportler, Schieds-, Wertungs- oder Kampfrichter bzw. die Personen, die die Manipulationen in Auftrag geben, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Der Ermittlungsbehörde wird zudem eine Befugnis zur Überwachung der Telekommunikation der Verdächtigen eingeräumt, um solche Fälle schneller aufzuklären.

Der Gesetzesentwurf wird am 31.03.2016 in der 956. Sitzung des Bundesrates behandelt, das Gesetz könnte somit bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Experten gehen davon aus, dass der Bundesrat den Gesetzesentwurf billigt.

 

5.3.2017: Berliner Raser wegen Mordes verurteilt

Das Landgericht Berlin hat am 27.02.2017 zwei Autofahrer wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, die Fahrerlaubnis der Angeklagten lebenslang ent- und die Führerscheine eingezogen. Das Urteil ist bahnbrechend, aber noch nicht rechtskräftig.

Die Angeklagten fuhren 2016 bei einem Straßenrennen mit bis zu 170 km/h und ignorierten dabei elf rote Ampeln. An einer Kreuzung kollidierte ein Angeklagter mit einem Geländewagen, der mehr als 70 m über die Straße geschleudert wurde, der Fahrer verstarb noch am Unfallort. Der andere Angeklagte raste gegen eine steinerne Hochbeet-Einfassung, sein Fahrzeug flog ebenfalls mehrere Meter, seine Beifahrerin wurde verletzt. Beide Angeklagten wurden in der Nacht kaum verletzt.

Der eine habe provoziert, der andere habe sich provozieren lassen. Deshalb seien die beiden Angeklagten als Mittäter zu bestrafen – so das Landgericht Berlin.

Ein Angeklagter wurde im Rahmen des Prozesses von einer Verkehrspsychologin als „massiv selbstüberschätzend“  beschrieben. Es gehe ihm nur darum „zu gewinnen und dadurch sein Ego aufzuwerten“. Bei ihm bestehe ein hohes Rückfallrisiko, weil „kein echtes Erkennen der eigenen Schuld begonnen“  habe.

Nach Argumentation der Staatsanwaltschaft hätten die Täter gemeingefährliche Mittel – ihre Autos – eingesetzt sowie aus niedrigen Beweggründen gehandelt. Die Angeklagten hätten nicht vorsätzlich töten wollen, aber den Tod etwaiger Opfer billigend in Kauf genommen. Die Verteidigung hingegen forderte Schuldsprüche wegen fahrlässiger Tötung und wegen Gefährdung des Straßenverkehrs. Die Täter hätten sich und ihre Fähigkeiten derart überschätzt, dass sie „tatsachenblind“ gewesen seien.

Das Gerichte argumentierte, die Angeklagten hätten gewusst, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf andere Verkehrsteilnehmer haben könnte und diese billigend in Kauf genommen. Bedingter Tötungsvorsatz liege vor. Das Mordmerkmal „mit gemeingefährlichen Mitteln“ wurde nach Auffassung des Gerichtes ebenfalls verwirklicht: die Angeklagten hätten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele Menschen durch ihr Verhalten zu Schaden kommen.

Bei einer Verurteilung wegen Mordes sieht das Gesetz zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe nach § 211 StGB vor. Deswegen wurden beide Angeklagten entsprechend verurteilt.

Im September 2016 hat der Bundesrat beschlossen, einen Gesetzesentwurf in den Bundestag einzubringen, nach dem die Teilnahme an illegalen Autorennen nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat gelten soll. Die geplante Vorschrift des § 315d StGB sieht für das Veranstalten bzw. die Teilnahme an einem illegalen Autorennen eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren vor. Werden andere Personen gefährdet, liegt die Strafe bei bis zu 5 Jahren. Eine Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren droht, wenn beim Rennen fahrlässig der Tod eines anderen verursacht wird – das Strafmaß läge damit doppelt so hoch, wie bei einer fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB. § 315d StGB soll allerdings nur auf Fälle anwendbar sein, in denen mehrere Fahrer durch die Stadt rasen, ein „Solo-Rasen“ wäre nicht geahndet.

 

28.2.2017: Messverfahren Poliscan Speed unverwertbar

Das Amtsgericht Mannheim hat in einem Beschluss vom 29.11.2016 (Az.: 21 Owi 509 Js 35740/15) bestätigt, dass das Messverfahren Poliscan Speed gegen die Bauartzulassung verstößt und deswegen unverwertbar ist.

Das Gericht hatte sich mit einem Bußgeldverfahren zu befassen, dem eine Lasermessung zugrunde lag. Nach erfolgter Beweisname wurde klar, dass es bei der Durchführung der Messung durchaus Abweichungen oberhalb der Verkehrsfehlergrenze geben kann, ohne dass dies auf die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Messwertbildung Einfluss nehmen müsste - behauptete zumindest der Sachverständige des Herstellers, der Firma Vitronic.

In einem standardisierten Verfahren müssten unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sein, im vorliegenden Fall gab es jedoch eine Abweichung von 5,57 % von Messwert zum Nachteil des gemessenen Fahrzeugs.

Viele Gerichte sind der Ansicht, dass die Prüfung und Zulassung der Messgeräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) bereits eine zuverlässige Messung bestätigt. Nach Angaben der Bauartzulassung werden bei der Messwertbildung die außerhalb des Messbereichs detektierten Objektpunkte nicht berücksichtigt. Objektpunkte sind gemessene Werte, die zu Objekten (Fahrzeugmodellen) gebündelt werden, die Entfernungswerte sind der daraus gebildeten Objekte berechnete Werte.

Nach Auffassung des AG Mannheims gibt es jedoch Fehlerquellen, die sich erst bei der Auswertung zeigen wie z.B. die Abweichungen bezüglich der Verkehrsfehlergrenze. Die PTB sowie der Hersteller haben inzwischen bestätigt, dass außerhalb des Messbereichs detektierte Objektpunkte auch zur Messwertbildung beitragen. Der Einzelmesspunkt liegt außerhalb des Messbereichs, das Messgerät befindet sich innerhalb des Bereiches zwischen 20 und 50 m.

„Dies bedeutet im Ergebnis, das Messgerät entspricht nicht der Bauartzulassung in wesentlichen Teilen, nämlich der Messwertbildung. Oder umgekehrt, das Gerät misst anders als in der Bauartzulassung beschrieben.“, so das AG Mannheim.

 

13.2.2017: Bundesrat hat keine Bedenken gegen Fahrverbot als allgemeine Nebenstrafe

Der Bundesrat äußerte in seiner Plenarsitzung vom 10.02.2017 nur Verbesserungsvorschläge, aber keine Bedenken gegen ein künftiges Fahrverbot auch bei Straftaten ohne Bezug zum Straßenverkehr. Das Fahrverbot ist geeignet, um „zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken.“ 

Der Gesetzesentwurf verschärft u.a die Strafbarkeit organisierter Formen der Schwarzarbeit und ermöglicht die Blutentnahme bei bestimmten Straßenverkehrsdelikten ohne richterliche Anordnung. Beim Umgang mit drogenabhängigen Mehrfachtätern bzw. im Bundesnaturschutzgesetz muss auch mit Änderungen gerechnet werden.

Der Gesetzesentwurf wird nun der Bundesregierung, abschließend dem Bundestag und der Länderkammer vorgelegt.

 

7.2.2017: Fahrverbot als allgemeine Nebenstrafe

Ein Fahrverbot von bis zu 6 Monaten (im Jugendstrafrecht bis zu 3 Monaten) soll demnächst auch bei Straftaten ohne Bezug zum Straßenverkehr verhängt werden können – ein weitreichender Einschnitt, der auch extreme wirtschaftliche und berufliche Folgen haben kann. Ein entsprechender Gesetzesentwurf der Bundesregierung wurde bereits dem Bundesrat zur Stellungnahme vorgelegt. Er spiegelt die Anliegen der Bundesländer und die Empfehlungen des Justizministeriums zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens wider.

 Bislang war ein Fahrverbot nur bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs beschränkt. Die Neuregelung soll nun den Gerichten die Möglichkeit geben, „zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken“ – und zwar auch bei allgemeinen Straftaten: Ein Fahrverbot soll künftig in allen Fällen als Ergänzung angewendet werden, bei denen eine Geldstrafe allein zu gering, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu drastisch wäre.  

Eine Nebenstrafe mit ggf. schlimmsten Folgen für Ihre berufliche Existenz.

 

31.1.2017: Majestätsbeleidigung (§ 103 StGB) wird zum 1.1.2018 abgeschafft

Das Bundeskabinett hat am 25.1.2017 einen Gesetzesentwurf zur Aufhebung des § 103 StGB beschlossen. Der schützte bislang ausländische Staatsoberhäupter oder diplomatische Vertreter vor Beleidigungen unter folgenden Voraussetzungen:

  1. die BRD pflegt diplomatische Beziehungen mit dem betroffenen Staat,

  2. die Vorschrift ist gegenseitig anwendbar,

  3. die ausländische Regierung hat Strafverfolgungsantrag gestellt und

  4. die Bundesregierung hat die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.                                

Beleidigungen gegen ausländische Staatschefs können gem. § 103 StGB mit einer Haftstrafe bis zu 3 Jahren bestraft werden, eine Beleidigung gem. § 185 StGB hingegen nur mit einer Geldstrafe oder mit einer Haftstrafe bis zu 2 Jahren.

Der letzte bekannte Fall von § 103 StGB war die sog. Böhmermann-Affäre nach seinem Gedicht „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Staatsanwaltschaft Mainz stellte die Ermittlungen wegen des Verdachts der Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten noch Oktober 2016 ein. Das Verfahren zum regulären Tatbestand der Beleidigung läuft weiterhin in Hamburg, das Gericht soll sein Urteil am 10.02.2017 verkünden.

Die Bundeskanzlerin hat sich persönlich stark gemacht und schon April 2016 erklärt, dass „die Bundesregierung der Auffassung ist, dass § 103 StGB als Strafnorm zum Schutz der persönlichen Ehre für die Zukunft entbehrlich ist.“ Nach Ansicht der Bundesregierung reichen zum Schutz der Ehre von Organen/Vertretern ausländischer Staaten die „üblichen“ Beleidigungsdelikte nach §§ 185 StGB aus. Vertreter ausländischer Staaten brauchen keinen besonderen Schutz der Ehre oder einen höheren Strafrahmen im Verhältnis zu den anderen Beleidigungsdelikten. Justizminister Heiko Maas twitterte bereits am 24.01.2017: „Der Gedanke einer "Majestätsbeleidigung" stammt aus einer längst vergangenen Epoche, er passt nicht mehr in unser Strafrecht.“

Der Gesetzesentwurf wird als eilbedürftig behandelt, damit das Gesetz zum 1.1.2018 in Kraft tritt.

 

23.1.2017: Dauerhafte Überlastung der Strafkammer, Aufhebung des U-Haft-Befehls

Das OLG Karlsruhe hat in seinem Beschluss vom 27.10.2016 (Az. 3 Ws 708 und 709/16) klargestellt, dass ein Untersuchungsbefehl aufzuheben ist, wenn das Gericht nicht mit der gebotenen Terminsdichte verhandelt und die Sitzungstage auch nicht zeitlich ausgeschöpft werden. Eine Strafkammer ist nicht nur vorübergehend überlastet, wenn das betroffene Gericht wegen struktureller Defizite längerfristig unzureichend besetzt ist.

In dem konkreten Fall wurde der Angeklagte am 25.08.2015 festgenommen und befand sich seitdem in Untersuchungshaft. November 2015 wurde Anklage beim zuständigen Landgericht erhoben. Das Hauptverfahren wurde schließlich Januar 2016 mit 5 anberaumten Verhandlungstagen eröffnet, wurde jedoch am 30.09.2016 ausgesetzt, weil der Vorsitzende Richter in den Ruhestand ging.

Der Angeklagte, ein italienisch-deutscher Staatsbürger ist mehrfach wegen Betäubungsmitteldelikte zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe sind die allgemeinen Haftvoraussetzungen sowie eine Fluchtgefahr beim Angeklagten zwar weiterhin gegeben, allerdings ist die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nicht mehr gerechtfertigt. Die Kammer hat eine vermeidbare und sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung verursacht, somit das sog. Beschleunigungsgebot verletzt. Es muss eine Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem sog. Strafverfolgungsinteresse stattfinden, das Verfahren sollte bei der bereits angeordneten Untersuchungshaft zügiger geführt werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Der erhebliche Verzug ist dem Staat zuzurechnen und wäre vermeidbar gewesen. 

 

 

19.1.2017: Körperverletzung mit Todesfolge – Strafbarkeit bei Unterlassung

Der BGH hat in seinem Urteil vom 22.11.2016 (Az.: 1 StR 254/16) entschieden: „Bei einer Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge ist der erforderliche spezifische Gefahrzusammenhang regelmäßig – soweit nicht allgemeine Gründe für einen Ausschluss der Zurechenbarkeit der schweren Folge eingreifen – gegeben, wenn der Garant in einer ihm vorwerfbaren Weise den lebensgefährlichen Zustand herbeigeführt hat, aufgrund dessen der Tod der zu schützenden Person eintritt.“

Der Garant ist eine Person, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung zum aktiven Handeln (Eingreifen) verpflichtet ist, damit ein bestimmter Erfolg nicht eintritt. Die Garantenpflicht ist die Voraussetzung für die Strafbarkeit wegen Unterlassens gem. § 13 StGB.

Der BGH hat im vorliegenden Fall das Urteil des Landgerichts Bamberg, mit dem der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren verurteilt wurde, aufgehoben. Der drogenabhängige Angeklagte hat in der Tatnacht mit den späteren, stark alkoholisierten Geschädigten in deren Wohnung Gammabutyrolacton (GBL) konsumiert. Der Angeklagte hatte eine ½-Liter Flasche GBL bei sich geführt. Durch den GBL wurden die Geschädigten müde und gingen ins Schlafzimmer. Der Angeklagte hat sich nicht weiter um sie gekümmert, als ihr Zustand jedoch schlechter wurde, hat ein Mitbewohner der Geschädigten einen Notruf abgesetzt. Beide Geschädigten wurden ins Krankenhaus eingeliefert: einer verstarb vier Tage später infolge des durch GBL verursachten Atemstillstands bzw. toxischen Hirnschädigung, der andere Geschädigte konnte bereits am folgenden Tag entlassen werden.

Der BGH stellt klar, dass eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB durch einen Garanten verwirklicht werden kann, falls er den Eintritt der Gesundheitsschädigung nicht abwendet, obwohl er hierzu die Möglichkeit hätte. Eine Gesundheitsschädigung kann bereits dann eintreten, wenn eine Person im behandlungsbedürftigen Zustand nicht die gebotene ärztliche Versorgung erhält. Der Angeklagte hätte durch das Herbeirufen ärztlicher Hilfe eine Atemdepression sowie die Unterversorgung des Gehirns (Gesundheitsschädigung) abwenden können. Hierzu wäre er verpflichtet gewesen, weil er die Flasche GBL in die Wohnung brachte und den Geschädigten zugänglich machte und somit die Gefahrensituation erzeugte.

In Fällen von Körperverletzung durch Unterlassen kommt nach Auffassung des BGH eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge dann infrage, wenn erst durch das Unterbleiben der gebotenen Handlung eine Todesgefahr geschaffen wird.

Wenn der Garant den zum Tode führenden Zustand verursacht, ist von einem spezifischen Gefahrenzusammenhang auszugehen. Dies gilt auch bei einer Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge im Sinne des § 227 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB.